Die Wieden – das Einfallstor zur Inneren Stadt

Es sind nicht die Wiedner:innen, die sich motorisiert im Bezirk bewegen, sondern Bewohner:innen anderer Gebiete, die täglich unsere Einfallstraßen blockieren und Lärm und Staub produzieren.
Gürtel, Prinz Eugen Straße, Karlsplatz, Rechte und Linke Wienzeile: Der vierte Bezirk wird von verkehrsreichen Straßen begrenzt, die überwiegend dem Durchzugsverkehr dienen, Motorisierter Individualverkehr (MIV), der sowohl seinen Ausgangspunkt als auch sein Ziel nicht im Bezirk selbst hat. Dazu kommen Straßenzüge mitten im Bezirk, die ebenfalls einen hohen Anteil an Durchzugsverkehr aufweisen: Wiedner Hauptstraße, Margaretenstraße und Favoritenstraße zum Beispiel.
Aber selbst in Straßenzügen, die auf den ersten Blick den Eindruck vermitteln, sie dienen nur dem lokalen Erschließungsverkehr, haben einen beträchtlichen Anteil an Autos, die nur durchfahren wollen: Argentinierstraße, Gußhausstraße, Rainer- und Belvederegasse sind allesamt Schleichwege, die sich auch gut dazu eignen, verstopften Hauptstraßen auszuweichen.
Durchzugsverkehr bringt dem Bezirk nichts.
Nichts außer Lärm und Feinstaub, langen Wartezeiten an Fußgängerampeln und schmalen Gehsteigen, weil der Platz für den fließenden Verkehr benötigt wird. Geeignete Stellen für verkehrsberuhigte Bereiche oder neue Baumpflanzungen zu finden: Schwierig bis unmöglich, denn die Lawine an Autoverkehr benötigt eine gewisse Anzahl an Fahrspuren, Straßenbreiten und Kreuzungsflächen.
Oftmals wird dabei der Eindruck erweckt, Durchzugsverkehr sei so etwas wie eine fix vorgegebene Größe, die achselzuckend zur Kenntnis genommen werden muss, schließlich geht es dabei ja um so wichtige Sachen wie Wirtschaft und Freiheit. Abgesehen davon, dass der notwendige Wirtschaftsverkehr durch verzichtbare private Autofahrten oftmals massiv behindert wird und zum Beispiel in Metropolen mit einer Citymaut wesentlich entspannter funktioniert, eben weil viele aus Kostengründen auf das Auto verzichten, muss eine Vielzahl von Fahrten kritisch hinterfragt werden.
Singles im SUV
Im Fall des vierten Bezirks sind das oftmals Wege vom Speckgürtel in die Innenstadt, in der Regel mit einer einzelnen Person besetzte PKWs mit oft irrwitzigen Kennzahlen bezüglich Gewicht, Pferdestärken und Verbrauch. Ein Bauträger im Bezirk Mödling verweist stolz auf die privilegierte Lage einer Wohnhausanlage in unmittelbarer Nähe zur Autobahnauffahrt Vösendorf, die es ermöglicht, in wenigen Minuten die Innenstadt von Wien zu erreichen, so der Prospekt. Dass sich in der Nähe auch eine Station der Badnerbahn befindet, ist nur an einem winzigen Piktogramm auf dem Lageplan zu erkennen, im Text erwähnt wird sie nicht.
Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten. Wer Durchzugsverkehr reduzieren will, muss an den Ursachen arbeiten. Straßenzüge zu unterbrechen, etwa durch Einbahnregelungen, kurze Fahrverbotszonen oder andere Einschränkungen wie temporäre Fahrverbote oder Abbiegeverbote, kann lokale Teilerfolge im Kampf gegen den Durchzugsverkehr bringen. Nachhaltig lösen lässt sich das Problem damit nicht wirklich, oder im schlimmsten Fall nur auf dem Rücken des Nachbarbezirkes, der die Verkehrsflüsse eins zu eins erbt 1).
Langfristig eindämmen lässt sich Durchzugsverkehr nur durch eine spürbare Reduktion auf absolut unverzichtbare Fahrten, sei es durch wirksame bauliche Maßnahmen, harte legistische Einschränkungen und – ziemlich simpel – durch Geld: Eine Citymaut etwa oder Stundensätze für Garagen wie in Tokio oder Manhattan.
1) siehe dazu die aktuelle Idee des 5. Bezirks, ein Linksabbiegeverbot von der Wiedner Hauptstraße in die Ramperstorffer Gasse zu erlassen, das den gesamten Verkehr geradeaus in den vierten Bezirk zwingt, der Öffentlichkeit als Beitrag zur Vermeidung von Durchzugsverkehr zu verkaufen
